Im Streit um das Bürgereinkommen haben sich die Ampelkoalition und die Union geeinigt. Für Empfänger von Staatsbürgerschaftsleistungen soll es strengere Regeln geben, als der Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bisher vorsieht. Geldkürzungen für Hilfeempfänger von bis zu 30 Prozent sollen von Anfang an möglich sein, wenn sie Termine beim Jobcenter verpassen oder angebotene Jobs nicht annehmen. Für Vermögenswerte, die Begünstigte unangetastet lassen können, sollte es niedrigere Freigrenzen geben. Verhandlungsführer beider Seiten bestätigten dies am Dienstag.
CDU-Vorsitzender Friedrich Merz sagte zu seiner Überraschung, die Ampelkoalition sei sehr kompromissbereit. “Das bedeutet, dass das Gesetz, wie es jetzt in dieser Form vorliegt, aus unserer Sicht verabschiedet werden kann.” Er wird es auch der Unionsfraktion vorschlagen.
„Das ist ein tragfähiger Kompromiss“, sagte Katja Mast, die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion. Das sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf dem Wirtschaftsgipfel Süddeutsche Zeitung in Berlin: “Jetzt wollen wir eine ganz große Sozialreform beschließen, die dann die jahrzehntelange Betreuung von Arbeitssuchenden in Deutschland beschreiben wird.” Das wird auch gelingen.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann betonte, dass die Regelsatzerhöhung für Leistungsbezieher nun zum 1. Januar 2023 komme. Der Kern der Reform bleibe bestehen, nämlich Menschen künftig nicht mehr in „irgendeinen Job“ zu vermitteln, sondern zu qualifizieren und zu bekommen eine feste Anstellung.
Am Montagabend verhandelten Vertreter der Ampel und der Union in informellen Vorgesprächen vier Stunden lang. Am Dienstag um ein Uhr morgens hieß es, es sei eine Einigung erzielt worden, mit der beide Seiten leben könnten. Der längste Streit soll die Verkürzung der sogenannten Gnadenfrist auf zwölf Monate gewesen sein. Vor allem die Grünen sollen es schwer gehabt haben. Die Union habe sich auf Bundes- und Landesebene zusammengeschlossen und damit gemeinsam große Erfolge erzielt, sagte Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe.
Länder mit Regierungsbeteiligung in der Union haben vergangene Woche im Bundesrat die Einkünfte der Bürger vorübergehend gestoppt, an diesem Mittwoch sollen Bundestagsvermittlungsausschuss und Bundesrat den Kompromiss besiegeln, der dann am Freitag in Bundestag und Bundesrat beschlossen werden könnte.
Die Ampelkoalition wollte eine sechsmonatige „Vertrauensfrist“ einführen, in der nur wiederholte Terminversäumnisse am Arbeitsplatz mit einer Kürzung von maximal zehn Prozent Geld geahndet werden. Im alten Hartz-IV-System waren bis zu 30 Prozent möglich. Nun soll es auch für die Einkommen der Bürger gelten, die Strafen können aber nur stufenweise verschärft werden. Vertrauenszeit ist ungültig. Der Vorsitzende der Grünen, Haßelmann, hat bedauert, dass die Vertrauensfrist nun abgeschafft werden muss.
Der Gesetzentwurf dürfte auch sogenannte Schutzgüter und Wartezeiten verschärfen. Hier wollte die Koalition die Hilfeempfänger viel aktiver als bisher lassen. Die ersten zwei Jahre 60.000 Euro plus 30.000 für jede weitere Person im Haushalt. Nun soll die Wartezeit unter den großzügigeren Regelungen auf zwölf Monate verkürzt werden. Das Schutzvermögen beträgt also statt 60.000 nur noch 40.000 Euro. Für jede weitere Person im Haushalt wäre es auf jeweils 15.000 begrenzt, was die erwarteten 30.000 halbieren würde, eine vierköpfige Familie käme beispielsweise auf 85.000 Euro, glauben sie. er darf statt der bisher vorgesehenen 150.000 eine Bürgerrente nicht aufbrauchen.
Das Bürgergeld ersetzt 2023 das Hartz-IV-System für Arbeitslose. Jobcenter-Beschäftigte sollen weniger Zeit für den Papierkram und mehr Zeit für die Pflege von Menschen aufwenden. Da die Mehrzahl der Langzeitarbeitslosen über keinen Berufsabschluss verfügt, wird beispielsweise das Nachholen des Berufsabschlusses künftig Vorrang vor der schnellen Stellensuche haben. Außerdem steigen die Regelsätze für Alleinstehende von 449 Euro auf 502 Euro im Monat. Auch die Union unterstützt diese Erhöhung uneingeschränkt.
Da einige Teile der Reform, insbesondere höhere Zahlungen, zum 1. Januar in Kraft treten sollen, bleiben die Verhandlungen unter Zeitdruck. Die Bundesagentur für Arbeit hatte bereits erklärt, wenn sie ab Januar mehr Geld zahlen müssten, sollen sie bis Ende November Rechtssicherheit haben, also ein neues Gesetz.